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In dieses aussergewöhnliche Werk wird Pierre-Laurant Aimard kurz einführen. Das Konzert bedarf einer Pause von 20 Minuten, in der Ihnen ein Getränk und ein Snack angeboten wird. Nach dem Konzert bieten wir einen kleinen Apéro an.
Olivier Messiaen, Vingt regards sur l’enfant-Jésus
„Zwanzig Blicke auf das Jesuskind“
„Diese Schar von Akkorden, unbeweglich, bis einem davon übel wird, um sich dann in plötzlichen Zuckungen aufzubäumen – ist das der Himmel? Nein, es ist das Fegefeuer!“ So schmetterte ein Pariser Musikkritiker Ende März 1945 gegen den Klavierzyklus eines jungen Komponisten, der gerade in der Salle Gaveau vorgestellt worden war. Die biblische Sprache hing mit dem Sujet der Klavierstücke zusammen: Vingt Regards sur l’enfant-Jésus, „Zwanzig Blicke auf das Jesuskind“, nannte Olivier Messiaen diesen Zyklus, den die Pianistin und die spätere Ehefrau Yvonne Loriod spielte, nachdem er selbst jeden Satz mit langen Einführungen kommentiert hatte.
Es handelte sich um zwanzig Szenen aus der Kindheit Jesu, mit anderen Worten: um einen Weihnachtszyklus mitten im Frühjahr, noch dazu in dissonante Klavierklänge gekleidet! Nur sieben Monate nach der Befreiung von Paris durch die Alliierten, im Moment des Aufatmens einer ganzen Nation wirkten diese modernen Klavierstücke doppelt provokant: durch ihr scheinbar deplatziertes Sujet und durch ihre avantgardistische Klangsprache. Dass der junge Komponist gerade erst aus deutscher Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war, wurde ihm nicht zugute gehalten.
In der Tat: Noch heute wirken die Zwanzig Blicke auf das Jesuskind wenig weihnachtlich freundlich und fröhlich. Da unsere Ohren durch Stille Nacht und Jingle Bells an andere Dimensionen von anheimelnder Weihnachtsmusik gewöhnt sind, haben es Messiaens abstrakte, leuchtende, aber auch donnernde Betrachtungen doppelt schwer. Im Gegensatz zu den deutschen Organisten, die Messiaen längst im Repertoire führen und selbst zum Sonntagsgottesdienst spielen, wirkt seine Klaviermusik nach wie vor irritierend, weil ihnen der Kirchenraum zu fehlen scheint. Messiaen, gleichsam der Marc Chagall der französischen Musik, ist in deutschen Klavierabenden nach wie vor selten vertreten.
Schon anno 1945 gab es auch andere Stimmen, die das Visionäre in Messiaens Klängen erkannten: „Messiaen verkündet die Überlegenheit des Spirituellen. All das, was die Impressionisten an Sinnlichkeit zur Darstellung irdischer Wonnen einsetzen, widmet er dem Lob des Göttlichen!“ Ein anderer Kritiker meinte nach der Uraufführung: „Für all Jene, die erwarten, in Musik eine neue Inbrunst zu finden, ist Messiaens Musik eine unverhoffte Nährquelle.“
Im mystischen Programm des Zyklus wird der „Blick“ weit gefasst: Es sind die Eltern, die auf Jesus blicken, aber auch der Anblick der himmlischen Höhen, des Kreuzes und der Zeit. Auf den Blick der Engel folgt schließlich als 15. Stück Le baiser de L’Enfant-Jésus, „Der Kuss des Jesuskinds“, als innerlicher, mystischer Höhepunkt der gesamten Reihe.
Quelle: Kammermusikführer der Villa Musica
Enthaltene Stücke:
Regard du père
Regard de l’étoile
L’échange
Regard de la vierge
Regard du fils sur le fil
Par lui a tout été fait
Regard de la croix
Regard des hauteurs
Regard du temps
Regard de l’esprit de joie
Première communion de la vierge
La parole toute-puissante
Noël
Regard des anges
Le baiser de l’enfant Jésus
Regard des prophètes, des bergers et des mages
Regard du silence
Regard de l’onction terrible
Je dors, mais mon cœur veille
Regard de l’église d’amour
Pierre-Laurent Aimard, der weltweit führende Interpret von Messiaens Klavierwerk, führt vor dem Konzert kurz in das Werk ein.
Bereits als Zwölfjähriger begann Pierre-Laurent Aimard sein Studium am Konservatorium in Lyon. Später studierte er bei Yvonne Loriod (der Ehefrau des Komponisten Olivier Messiaen) am Pariser Konservatorium und bei Maria Curcio in London. 1973 gewann er den Kammermusikpreis des Pariser Konservatoriums und den ersten Preis beim internationalen Olivier-Messiaen-Wettbewerb. 1976 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Ensemble intercontemporain und spielte dort auch Cembalo, Celesta, Synthesizer, Glockenspiel und Orgel. 2006 erhielt er den Preis der Kulturstiftung Dortmund, ab 2009 war er für drei Jahre künstlerischer Leiter des Aldeburgh Festival. Pierre-Laurent Aimard ist Professor an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und am Pariser Konservatorium.
2009 zeigte der preisgekrönte Dokumentarfilm der beiden Regisseure Lilian Franck und Robert Cibis, Pianomania, Aimard bei den Aufnahmen von Johann Sebastian Bachs Kunst der Fuge. Der Film fand national und international großen Anklang, wurde bei vielen Festivals gefeiert und in den Katalog des Goethe-Instituts aufgenommen.
2017 wurde Aimard der Ernst von Siemens Musikpreis, der oft als Nobelpreis der Musik bezeichnet wird, zuerkannt.
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